Wie werde ich zur Produzentin meines Lebens?
Ein Erlebnisbericht, der über steinige Wege auf die Seidenstraße führt …

Geh nicht nur glatte Straßen, geh Wege, die noch niemand ging, damit du Spuren hinterlässt, und nicht nur Staub!“ – Antoine de Saint-Exupéry

Leider hat der Poet verschwiegen, dass diese Wege steinig sind. Insbesondere auf High Heels. Ich möchte den Lesern und Hörern von Radio 39 Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen. Dem Herzen zu folgen, ohne den Verstand zu vernachlässigen. Um dahin zu gelangen, wo wir die oder der sind, der oder die wir schon immer sein wollten …

Erfolg manifestiert sich nicht darin, dass man nicht fällt. Er zeigt sich vielmehr darin, wie schnell man wieder aufsteht. Das Erbe meines ersten Mannes hatte ich aufs Spiel gesetzt und verloren, mittel- und arbeitslos saß ich in einem kleinen Kellerverlies als Unterkunft, war Hartz-4-Empfängerin statt Musik-Millionärin geworden.

Bespuckt und beschimpft

Dabei konnte ich durchaus eine bemerkenswerte Karriere aufweisen. Noch zwei Jahre zuvor war ich die Luxus-Marketing-Ikone und leitete die Modemarke ESCADA mit großem Erfolg, nachdem ich zuvor bei MONTBLANC und OMEGA brilliert hatte. Leider hatte ich nach dem tragischen Tod meines Ehemanns das Gleichgewicht verloren. Ich verliebte mich in einen Borderliner, dessen Ehen und Beziehungen stets durch seine Gewalttätigkeit scheiterten und durch seine Unfähigkeit, sich den Lohn fürs Leben zu verdienen. Er verhöhnte mich und schlug mich und behandelte mich vor allen Leuten so schlecht, dass mein Vater ihn aus der Wohnung werfen musste. Manchmal braucht es die Hilfe anderer, um schwere Entscheidungen zu treffen. Wer, wenn nicht die eigenen Eltern, meint es gut mit uns? Ich akzeptierte das Eingreifen meines Vaters. Auch wenn es gegen mein Herz sprach. Das liebte meinen Mann noch immer. Doch bevor vermeintliche Liebe unser Leben zerstört, sollten wir uns von ihr lossagen. 

Nur nicht unten bleiben

Wenn man einmal die Treppe zum Erfolg verlassen hat, ist es mühsam, sie wieder zu erklimmen. Die Stufen sind hoch, sehr hoch. Es braucht viel Kraft, ins Leben zurückzurobben. Ich meldete mich bei sämtlichen Jobportalen an, gab meinem Lebenslauf Feinschliff und bewarb mich auf alle halbwegs akzeptablen Positionen, arbeitete täglich volle acht Stunden an meiner Arbeitssuche. Nach einer Einladung nach Baltimore bekam ich von der Headhunterin das Feedback, ich hätte einen brillanten Eindruck gemacht. Die Hoffnung stieg hoch, leider gefolgt von einer Absage.

Aufgeben war keine Option. Ich kämpfte weiter und ruhte nicht aus.  Seelisch jedoch war ich in der Schwebe. Ein Zusammenbruch lag nahe. Ich nahm erneut das Steuerrad meines Lebens in die Hand und suchte mir ein kleines Apartment. Meine Eltern halfen, zähneknirschend, bei der Einrichtung einer 30-Quadratmeter-Wohnung im Frankfurter Nordend. Für mich war das ein Befreiungsschlag. Ich fühlte mich froh und ungebunden wie einst als Teenager in meiner ersten Wohnung. Meine Abenteuerlust war wiedererwacht. Abends ging ich in die gegenüberliegende Weinstube und flirtete, was das Zeug hielt. Bloß nicht an meinen Grenzgänger von Mann denken … Tagsüber arbeitete ich an meinem Wiedereinstieg in die berufliche Karriere.

Doch meine Seele war nicht so resilient wie gedacht. Eine E-Mail meines „Ex“ mit Brian Adams „Please forgive me“ und vielerlei Verbesserungs-Versprechen führte zu einem erneuten Treffen. In einem Höhenflug der Selbstüberschätzung ließ ich Mr. Bad wieder in mein Leben. Tatsächlich allerdings schien er sich gebessert zu haben. Er bekam einen Job als Limousinen-Chauffeur. Mein besorgter Zwillingsbruder wollte mich zur Vernunft rufen. Doch zu spät. Meine Amour fou hatte über den Verstand gesiegt. Ein krasser Fehler … Unser zweiter Hochzeitstag artete in ein Saufgelage aus – und endete mit einer zerschmetterten Balkontür. Erst als ich den Rettungsdienst rief, glitt mein Mann, wie ein schwarzer Schatten, aus meiner Wohnung …

Auch graue Chancen sind Chancen

Ich kehrte dorthin nicht mehr zurück. In Berlin arbeitete ich in der Agentur eines Freundes weiter an meinem beruflichen Wiedereinstieg.  Ich hatte verstanden: Liebe kann zerstören. Emotional verzweifelte ich. Umso intensiver schmiss ich mich in die Arbeitssuche und kam durch die Hilfe guter Freunde wieder auf die Füße. Selbstverständlich auf High Heels. Auch wenn ich mir in den Nächten die Augen ausweinte. Meine Chance kam … Ein Anruf. Ausgerechnet aus dem „middle of nowhere“ Deutschlands. Ein angestaubtes Traditionsunternehmen stand vor der Herausforderung, sich in ein Luxus-Label zu verwandeln. Ich fuhr quer durch Deutschland und stellte mich dem Vorstands-Gremium. Mutig. Wer, wenn nicht ich als ehemalige Luxus-Marketing-Diva, konnte dies bewerkstelligen? Einfach war es nicht, die konservativen Herren zu überzeugen. Insbesondere meine extracurriculare Auszeit in Miami wurde kritisch hinterfragt. Ich gestand, dass die Liebe mich verführt hatte. Am Ende konnte ich überzeugen und bekam die Chance. Kein Glitzer-Job. Doch ich nahm die Chance dankbar an. Und wurde die Oberexotin im grauen Kaff und in der absoluten Knochenmühle …

Zugegeben, ich bin alles andere als eine angepasste graue Maus. Meine Haare sind hoch toupiert. Meine Lippen rot. Mein Kostüm kurz und körperbetont. Die High Heels 12 Zentimeter hoch. Dem standen hier Jeans, Pullover und Wanderschuhe gegenüber, wenig passend zu einem „Luxus-Label“. Als ich mein „Büro“ betrat, kamen mir erhebliche Zweifel am Erfolg meiner Aufgabe. Es befand sich in einem BLECHCONTAINER. Und das mir als durchaus dem Luxus und Schönen zugeneigter „Marketing-Diva“. Ich biss mich durch…

Silvester verbrachte ich in meiner neuen Wohnung. Alleine. Ich war für diese Spießergegend nicht angepasst genug. Horden von Teenagern liefen mir in die Quere und riefen mir „Amy Winehouse, Amy Winehouse“ hinterher. Sie schändeten mein Auto und klingelten nächtelang an meiner Tür. Doch ich blieb, wie ich bin. Nichts und niemand konnte mich jetzt mehr verbiegen! Ich konnte nicht anders als so sein, wie ich sein wollte. Und ich nahm den Kampf dafür in Kauf. Meine Leidenschaft und Einsatzbereitschaft zu tage- und nächtelanger Arbeit, sogar mit handgeschriebenem Brief für jeden Mitarbeiter, wurden anerkannt.

Gallionsfigur und Rausschmiss

„Damit haben Sie uns für sich gewonnen!“, lobte mich der Vertriebsleiter. Ich hatte gesiegt, indem ich konsequent ich selbst blieb und hart daran arbeitete, eine immer bessere Version meiner selbst zu werden. Das wurde erkannt und schließlich auch gewertschätzt. Die Mitarbeiter fingen sogar an, sich schöner zu kleiden, Sport zu machen, auf ihre Ernährung zu achten. In den folgenden fünf Jahren wurde ich zur Gallionsfigur und Markenbotschafterin. Privat begann ich mit dem ersten Roman für meine „Sechsologie der Sinne“. Als ein Artikel über mich in einer führenden Lifestyle-Zeitschrift „schreiben und Sashimi essen“ als meine Freizeitbeschäftigung angegeben hatte, bekam ich zu hören: „Frau Rösler, so was macht man nicht bei uns!“ Ich ließ mir meine Leidenschaft nicht nehmen. Schon als kleines Mädchen wollte ich Schriftstellerin werden. Die einsamen Abende und Wochenenden waren nun ausgefüllt mit der Arbeit an meinen Romanen. Die Ferien verbrachte ich schreibend auf Sizilien, meiner Seeleninsel. Im Winter in Thailand, Sri Lanka, Mexiko. In fünf Jahren schrieb ich sechs Bücher. Ich machte meinen Lebenstraum wahr und kam bei mir an. Auch wenn Freunde und Familie diese erneute Wendung in meinem Leben durchaus kritisch betrachteten. Zweifel sind die Totengräber von Träumen. Ich glaubte an mich und meinen Lebenstraum. Doch der Erfolg wird geneidet. Ich wurde dem Firmenchef zu wichtig. Ich war auf der Gewinnerseite gelandet und merkte nicht, dass ich ihn in meinen Schatten stellte. Das kratzte an seinem Ego.  Seine Motivation allerdings war, so vermutete ich: die fast schon gefährliche erotische Ausstrahlung, die ich nun einmal habe und die in fünf enthaltsamen Jahren inmitten Grau-Deutschland nicht weniger wurde. Natürlich fand die sich auch in meinen Romanen wieder. Wie unfair … Sogenannte Business Barden können auf Geschäftsreisen tun und lassen, was sie wollen, während Frauen, um im Revier der Machtmänner erfolgreich zu sein, sich kleiden wie Männer und ihre Emotionen am besten im Keller versenken. Die Erklärung für meine Entlassung klang selbstverständlich cool: „Wir strukturieren die Abteilung um. Für Sie ist kein Platz mehr.“ Wieder einmal hieß es: von vorne anfangen. Ich nahm die Herausforderung an.

Und suchte ich mir einen scharfen Hund von Anwalt für Arbeitsrecht. Es begann die harte Verhandlung um die Ausstiegskonditionen. Gleichzeitig warb das marktführende Armaturen-Unternehmen um mich. Niederlagen können zu Siegen werden. Wichtig ist, an sich selbst zu glauben und sich eine „geistige Rüstung“ zuzulegen. Ich bin die Produzentin meines Lebens! Ein neuer Arbeitsvertrag in der schönen Stadt Düsseldorf leitete einen neuen Lebensabschnitt ein. Doch der währte nur kurz. Das Unternehmen wurde verkauft. Luxus war nicht mehr angesagt. Ich wurde mit den Worten „Du verdienst ja auch nicht gerade ein Praktikantengehalt“ ab sofort freigestellt. Man muss wissen, wann Kämpfen keinen Zweck hat. Zum zweiten Mal in drei Jahren landete ich beim Anwalt für Arbeitsrecht.

Die Kraft des inneren Glaubens

Es folgte der Gang nach Canossa: zur Agentur für Arbeit. Erneut begann ich mit eifriger Jobsuche. Doch mir wurde klar: Mit 48 Jahren und hohem Gehalt und anspruchsvollem Lebenswandel waren die Positionen einer Marketing-Leitung in Deutschland rar gesät. Der Einstieg ins Ausland gelang mir trotz emsiger Bemühungen auch nicht. Wenn Türen partout nicht aufgehen wollen, dann muss man flexibel sein, seinen eigenen Weg finden. Je schwieriger die Situation war, umso stärker wurde ich. Woher nahm ich diese Kraft? Aus einem Vertrauen in mich und darauf, dass es das Schicksal trotz allen Piesackens letztendlich gut mit mir meint? Ich konnte nicht anders als kämpfen und positiv denken. Es war keine leichte Zeit. Doch ich wusste innerlich: In solchen Phasen gilt es, Ruhe zu bewahren und an sich selbst zu glauben. Die Sorgen und Ängste von Freunden und Familie sind da nicht immer hilfreich. Ich konzentrierte mich auf die Kraft meines inneren Glaubens. Und irgendwie glaubte da auch noch jemand anderes an mich …

Mein ehemaliger Arbeitskollege Herr Chang hatte gemeinsam mit mir das Asien-Geschäft aufgebaut. Er erkannte meine Qualitäten. Und rief mich an. Mit einem Auftrag für mich. Von jetzt auf gleich wurde ich nach China beordert. Dort musste ich mich auf eine komplett andere Mentalität und Business-Gebärde einstellen. Und siehe da: Hier wurden mein Auftritt und mein Gespür für Luxus und Stil bewundert. Ich bekam die Aufgabe, eine Messe deutscher Wertmarken in China zu organisieren. Das klang aussichtsreich. Doch ich sah auch die Schwierigkeiten. Zumal deutsche Unternehmer skeptisch sind und zu wenig Pioniergeist haben, um innerhalb weniger Monate eine nicht budgetierte Messe in einer „Second-tier-Stadt“ durchzuführen. Ich stimmte dennoch zu, sprach die nötige Warnung aus und verhandelte hart über mein Projekthonorar. Auf einmal war ich die Chefin in meinem Leben. Eine Chefin, die Klinken putzt allerdings … Erneut war ich mir nicht zu gut, um diese Herkulesaufgabe zu übernehmen. Ich lief auf High Heels über sämtliche Messen und warb für mein Vorhaben. Und: Mein Glauben daran vermochte es, Berge zu versetzen. Meine Messe wurde zum Erfolg.

Mein Durchbruch

Kleine Brötchen zu backen, war nicht mein Ding. Meine Sturheit und die unermüdliche Arbeit, vor allem aber meine Leidenschaft, setzten sich durch. In Mailand traf ich den Chairman eines aufstrebenden und überaus ambitionierten Sanitär-Unternehmens. Ich wurde erneut nach China eingeladen. Man kannte mich und meine erfolgreiche Arbeit vom vormaligen Unternehmen. Ich sollte Markenbotschafterin und Beraterin werden. Die Beste, die es gibt. Nach harten Verhandlungen wurde in Shanghai der Vertrag unterschrieben. Ich stürzte mich mit all meinem Einsatz und Ehrgeiz in die wundervolle Aufgabe, dieses Unternehmen als den zukünftigen Marktführer des „Smarten Badezimmers“ zu positionieren und durchzusetzen. Endlich war ich wieder auf der Bühne und durfte die wichtigsten Marken- und Design-Preise entgegennehmen. Mein Können, eine Marke vom farblosen Unternehmen zu einem Star zu machen, wird heute anerkannt und gewürdigt.

Heute bin ich in China wie in Deutschland zu Hause. Ich habe mich, ohne mich verbiegen oder gar brechen zu lassen, durchgesetzt und profiliert. Meine Messe war ein voller Erfolg und konnte 40 Prozent Umsatzplus nachweisen. Nun berate ich deutsche Unternehmen bei ihrer Expansion nach China und chinesische Unternehmen dabei, sich in Europa erfolgreich zu etablieren. Mein erstes Buch ist mittlerweile auf Englisch, Italienisch, Französisch und Chinesisch übersetzt und ich schreibe an Roman Nummer sieben. Auch privat habe ich einen liebenswerten Partner gefunden, der mich so liebt und anerkennt, wie ich bin. Die Krise habe ich in eine Chance verwandelt und bin – wenn auch auf steinigem Weg – auf die Seidenstraße zum Erfolg gelangt.

Ich kann jedem nur raten, seiner inneren Stimme zu folgen. Sich niemals entmutigen zu lassen. Man ist dann am besten, wenn man dem Bild von dem, wie man sein will, am meisten entspricht. Das kann jeder Mensch erreichen. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Leider säumen vielerlei Widerstände, Neid und Missgunst unseren Weg. Wer ist Freund, wer ist Feind? Welcher Schritt der richtige? Letztlich sind wir immer auf uns selbst zurückverwiesen. Wir müssen unserer Intuition vertrauen. „Wir brauchen die totale Kontrolle!“, forderte seinerzeit mein Chef vor versammelter Führungsmannschaft. Doch die totale Kontrolle ist eine pubertäre Illusion, im Geschäftsleben wie privat. Jeder Mensch kommt einmal in unvorhersehbare oder nicht planbare Situationen. Das Schicksal schlägt einem Menschen das vermeintliche Steuerrad ganz schnell aus der Hand. Ein kurzer Blick auf die Katastrophen und Naturgewalten, oft aber auch nur auf den Freundeskreis oder die eigene Familie, genügt, um das zu verstehen. Jeder kann straucheln und fallen.

Was bringt uns dann dazu, wieder den Kopf aus dem Staub zu heben? Vor allem der Glaube an sich selbst, Kampfgeist und Durchhaltevermögen. Die lassen sich weder herbeibeten noch schnell antrainieren. Was mir hilft, ist ein unverstellter Blick auf meine Stärken und die Akzeptanz meiner Schwächen. Aber auch das hätte nicht genügt, würde ich mich nicht Menschen um mich immer wieder neu anvertrauen und auf ihre Liebe setzen. Dann kann ich den Mut entwickeln, die Sicherheitszone zu verlassen, die Cashmere-Decke, in die auch ich meine Seele so gerne einkuschele. Dann kann ich ausbrechen aus dem Korsett der Konventionen, ganz andere Wege gehen. Und, auch wenn es nichts Neues ist: Der Weg ist tatsächlich das Ziel. Solange wir leben, lernen wir. Die schlimmsten Situationen können uns stark machen. Leonard Cohen sang: „There is a crack in everything. That’s how the light gets in.“ Dem kann ich mich nur anschließen.

Gewinner sind Verlierer, die sich aufrappeln und es noch einmal versuchen …

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